Bindung

Female Empowerment ist nicht nur Aufgabe der Frauen

Interview mit Swantje Letzsch
  • Female Empowerment
  • Role Model
  • Unconscious Bias

Swantje Letzsch Quelle: cbm GmbH

Swantje Letzsch bildet seit 2014 Frauen weiter und begleitet sie im Anschluss auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt. Starre Rollenbilder stehen dabei vielen Frauen im Weg.


Mehr Frauen für digitale Berufsbilder begeistern, das gehört zur Firmenphilosophie von cbm. Wenn sie erst mal im Kurs sitzen, sei die größte Hürde eigentlich bereits genommen. „Das technische Know-how, also eine solide Basiskompetenz, bringen wir (fast) allen bei. Ab und an brauchen unsere Kursteilnehmerinnen aber noch zusätzlich einen kleinen Schubs. Da gilt es dann das Empowerment zu fördern. Das Verrückte ist aber ja auch: Die Frauen sind eigentlich immer die Klassenbesten.“

Umso frustrierender ist es für Letzsch, dass es trotz allem in der Regel die Frauen sind, die im Anschluss Schwierigkeiten haben, in einem Unternehmen unterzukommen. „Wir hatten zum Beispiel eine Kursteilnehmerin, die einzige Frau in einem unserer Fachinformatiker:innen-Kurse. Deutsch ist nicht ihre Muttersprache, sie hat ein kleines Kind zuhause, hat nebenbei den Führerschein gemacht, hatte keinerlei Vorkenntnisse und sie war Klassenbeste im Vollzeitkurs. Und dann sehe ich, wie sie Schwierigkeiten hat, einen Praktikumsplatz zu bekommen, weil sie sich einfach nicht so gut verkaufen kann. Männer bringen wir eher unter.“

Männer werden deutlich schneller in einen Job vermittelt als Frauen

Diese Hürde ist nicht neu. Noch dazu lässt sie sich nicht so leicht überwinden. Zu tief verwurzelt ist ein unbewusstes Rollenverständnis in unseren Köpfen. Die Wissenschaft hat dafür einen Begriff: „Unconscious Bias“, die unbewusste Voreingenommenheit. Auch das Beispiel der Kursteilnehmerin zeigt: Es lässt sich nur etwas bewegen, wenn es wirklich gewollt ist und alle Beteiligten bereit dazu sind. Manchmal ist das leichter gesagt als getan. „Sowas ist schon hart, mit anzusehen, und macht manchmal auch einfach nur wütend. Fachlich dagegen sind Männer deutlich öfter unsere „Sorgenkinder“. Manchmal zittern wir bis zuletzt, ob sie zur Prüfung gehen oder nicht. In einen Job vermittelt sind sie im Anschluss aber meist ganz schnell.“

Als Kursleiterin hat Letzsch auch eigene Erfahrungen mit Vorurteilen und festgefahrenen Rollenbildern gesammelt. „Wir hatten mal einen Kursteilnehmer, der sich nicht von einer Frau unterrichten lassen wollte. Nach klaren Worten unserer Geschäftsführung hat er den Kurs dann doch gemacht. Nach erfolgreichem Abschluss hat er sich bei unserer Kursleiterin bedankt, sich entschuldigt und ihr seine Hochachtung ausgedrückt.“

Ihr wollt mehr Frauen in eurem Unternehmen? Dann knüpft an ihren Lebensverhältnissen und Bedürfnissen an.

Swantje Letzsch

Der Frauenanteil in der Bremer IT-Branche liegt bei 28 %

Auch dieses Erlebnis zeigt der IT-Trainerin wie wichtig es ist, sich für Female Empowerment einzusetzen und sich für mehr Frauen in der IT-Branche stark zu machen. Als ein überwiegend von Frauen geführtes Unternehmen, ist cbm ein Exot in der Branche. In Bremen liegt der Frauenanteil aktuell bei rund 28 % und damit leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 31 %. Diese Geschlechterverteilung spiegelt sich auch bei den Kursteilnehmenden wider. „Der Frauenanteil bei unseren Informatikkursen liegt bei maximal 20 %“, sagt Letzsch. „In den aktuellen Kursen ist sogar nur je eine Frau.“ Durch Covid-19 sind zuletzt vor allem die Frauen aufgrund von Betreuungsproblemen abgesprungen. Bei den Weiterbildungen der Mediengestalter:innen und im E-Commerce liege die Verteilung hingegen bei ungefähr 50:50.

Welchen Tipp kann Swantje Letzsch Personalentscheider:innen mitgeben?

„Seid offen, euch auf Ungewohntes einzulassen. Ich muss bereit sein, mir vorzustellen, dass es außerhalb meines Kopfs noch was anders gibt als das, was ich kenne. Ihr wollt mehr Frauen in eurem Unternehmen? Dann knüpft an ihren Lebensverhältnissen und Bedürfnissen an, schafft Teilzeitstellen, flexible Arbeitszeit und Fortbildungen. Guckt euch die Darstellung eures Unternehmens an. Ich erlebe, dass die meisten Männer ebenso daran interessiert sind, in gemischten Teams zu arbeiten. Und nur so kann echte und nachhaltige Veränderung funktionieren: Wir müssen alle zusammen an uns arbeiten und uns nicht gegeneinander aufwiegen und uns vergleichen. Traut Frauen etwas zu!“

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