Führung

Auch Männer müssen sich emanzipieren

Interview mit Andrea Klanke, ÜberseeHub
  • Female Empowerment
  • Flexible Arbeitszeit
  • Karriere

Foto von Andrea Klanke Quelle: ÜberseeHub

Verantwortung übernehmen und in Teilzeit arbeiten – das muss kein Widerspruch sein. Bereits 2002 bewies Andrea Klanke in der Sparkasse Bremen, dass sich eine Führungsaufgabe und Familie gut vereinbaren lassen.


Du hast recht früh in deiner Laufbahn Führungsaufgaben übernommen – und anderthalb Jahre nach der Geburt deines ersten Kindes in Teilzeit weitergearbeitet. Konntest du auf deine vorherige Stelle zurückkehren, oder hat sich deine Funktion geändert?

Die Funktion hat sich verändert, als ich zurückgekommen bin. Aber nicht, weil ich als Mutter zurückgekommen bin, sondern weil wir eine Umstrukturierung hatten. Dabei wurden viele der hierarchischen Zwischenebenen abgeschafft. Meine alte Funktion der Gruppenleitung gab es nicht mehr und so war ich auch keine Führungskraft mehr. Ich habe mich dann auf eine Führungsposition in Teilzeit beworben und habe diese Stelle auch bekommen.

War es damals schon üblich, dass Führungspositionen in Teilzeit besetzt wurden?

Nein. Es gab vorher nur eine Kollegin, sie war sozusagen die Pionierin. Zu meiner Zeit war sie Abteilungsleiterin im Marketing. Sie ist damals genau wie ich kürzergetreten, nachdem sie Kinder bekommen hat. Ich musste mir das noch mehr erarbeiten. Mit der Zeit wuchsen die Anforderungen an die Personalabteilung, sich mit diesen Themen zu beschäftigen.

Ich dachte mir damals: Es kann doch nicht sein, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt zwischen Karriere und Muttersein entscheiden muss.

Andrea Klanke

Hast du damals für dich beschlossen: Ich möchte in Teilzeit arbeiten und dennoch Verantwortung übernehmen?

Jein. Ich war damals im Austausch mit meinem Abteilungsleiter und er war immer sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Generell konnte ich mir Führung in Teilzeit durchaus vorstellen. Für mich war aber klar, dass meine Kinder noch zu klein sind und ich noch nicht wieder Vollzeit arbeiten möchte. Natürlich gab es auch damals Mütter in Führungspositionen, allerdings haben alle in Vollzeit gearbeitet. Ich dachte mir damals: Es kann doch nicht sein, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt zwischen Karriere und Muttersein entscheiden muss. Mein damaliger Chef sagte dann, dass er da auch kein Problem sehe, und war sofort bereit, das auszuprobieren.

Wie hat das Team darauf reagiert?

Ich muss sagen, eigentlich durchweg positiv. Gegen blöde Sprüche ab und an muss man immun sein. Zum Beispiel ein „na, jetzt schon Feierabend, die Füße hochlegen?“, wenn ich mittags das Büro verlassen habe. Tatsächlich geht der Trubel dann erst richtig los! Wenn ich daran denke, wie oft ich, ohne was zu essen, um 14 Uhr meinen Stift fallen gelassen habe. Die Kinder hatten dann längst in der Kita oder bei meinen Eltern gegessen. Mein Tag ging ohne Pause nahtlos bis 21 Uhr weiter.

Oder wenn einer aus dem Führungsteam um 17 Uhr angerufen hat und sich mit einem „Sie sind ja auch noch da“ wunderte, dass ich rangehe. Da habe ich immer gedacht: Warum hast du meine Nummer gewählt, wenn du dachtest, ich bin nicht da? Diese Erfahrungen habe ich aber zum Glück eher selten gemacht.

Wann hast du angefangen, die Stunden wieder aufzustocken?

Das lief bei mir sukzessive. Ich habe angefangen mit 19,5 Stunden. Die Überstunden haben allerdings schnell Oberhand bekommen. Beim Blick auf den Stundenzettel habe ich realisiert: Eigentlich arbeite ich im Schnitt 25 Stunden, die kann ich mir dann auch bezahlen lassen.

Als ich schließlich die Leitung des Marketings übernommen habe, fing ich wieder an, in Vollzeit zu arbeiten. Das Team war mit 13 Mitarbeitenden ziemlich groß und die Aufgaben sehr unterschiedlich. Für eine Leitung in Teilzeit hätten wir Aufgaben umverteilen oder rausnehmen müssen.

Du warst eine der Ersten in der Sparkasse, die ein solches Modell für sich durchgesetzt hat. Wie sieht die Situation heute aus? Gibt es mittlerweile mehr Mitarbeiter:innen, die Führungsaufgaben in Teilzeit wahrnehmen?

Da wir uns in der Vergangenheit in der Sparkasse komplett neu organisiert haben, gibt es nicht mehr so viele Führungsaufgaben. Wenn es früher in einer Abteilung drei Sachbearbeiter:innen mit gleicher Tätigkeit gab – zwei Männer in Vollzeit und eine Frau in Teilzeit – kam es auch mal vor, dass die Kollegin weniger verdient hat. Obwohl die Tätigkeiten und Qualifikation identisch waren.

Du beschreibst ein ziemliches Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen bei der Verteilung von Teilzeit. Kannst du beobachten, dass da etwas in Bewegung gekommen ist?

Ich weiß nicht, ob ich von einem Ungleichgewicht sprechen würde. Es gab lange Zeit kaum Männer, die in Teilzeit gearbeitet haben. Es sind überwiegend Frauen, die sich die Zeit für Beruf und Familie aufteilen. Das hat sich inzwischen etwas geändert.

Heute nehmen mehr Männer Elternzeit in Anspruch. Das finde ich gut und habe es selbst immer schon unterstützt. Früher haben sich Männer vielmehr als heute gefragt, was wohl Kollegen denken, wenn sie sich enschließen, Elternzeit zu nehmen. Da mussten sich auch die Männer erst mal emanzipieren und den Mut haben zu äußern, dass sie sich jetzt einfach mal drei vier Monate um die Kinder kümmern wollen, da die Frau wieder voll in den Beruf einsteigt.

Wenn die Führungsspitze Maßnahmen nicht offensiv fördert und einfordert, dann ist es sehr schwer, etwas zu erreichen.

Andrea Klanke

Gab es strukturelle Hürden, als du dein Teilzeit-Modell durchgesetzt hast?

Ich musste vor allem mein Privatleben organisieren. Ich bin niemand, die im Vorhinein alles zu 100 % plant. Bei mir gibt es ein Grundgerüst und den Rest entscheide ich spontan. Anders ist so ein Spagat zwischen Führungsverantwortung in Teilzeit und Familie aus meiner Sicht nicht umsetzbar. Menschen, die den Anspruch haben, dass immer alles perfekt geplant ist, und die für alle Eventualitäten eine Lösung parat haben wollen, dürften es da eher schwer haben.

Daneben steht das Arbeitsumfeld. Wie sollte dieses strukturiert sein, damit es familienfreundlicher wird und es auch möglich ist, in Teilzeit Verantwortung zu übernehmen?

Wichtig ist natürlich, dass das Unternehmen offen für neue Strukturen ist und keine Vorbehalte hat. Ohne ein unterstützendes Umfeld und meinen Vorgesetzten, der mein Potenzial gesehen und mich gefördert hat, wäre ich den Schritt nicht gegangen. Wir haben bei der Sparkasse zudem das große Glück, dass unser Vorstand hinter der Sache steht. Wenn die Führungsspitze Maßnahmen nicht offensiv fördert und einfordert, dann ist es sehr schwer, etwas zu erreichen.

Daneben gibt es bei der Sparkasse eine ganze Reihe familienfreundlicher Angebote. Es werden beispielsweise Eltern bei der Suche nach Betreuungsangeboten für ihre Kinder unterstützt. Oder wir hatten durch unseren Vorstand begleitete Gesprächsrunden, in denen Bedarfe und Sorgen besprochen wurden.

Was würdest du einer jungen Frau mitgeben, die im Unternehmen Führungsaufgaben übernehmen möchte, sich aber nicht unterstützt fühlt?

Wichtig sind immer die eigene Motivation und die Frage: Warum möchte ich das eigentlich machen? Wenn ich meinen Job gerne mache und überzeugt bin, dass ich gut darin bin, sollte ich das offen kommunizieren. Mir ist es nicht immer leicht gefallen, Ansprüche geltend zu machen. Gerade Frauen sind eher selten die, die sich hinstellen und von sich behaupten „hey, ich bin die Tollste, ich rocke das schon!“ Wichtig ist, Wünsche nach mehr Verantwortung offen zu kommunizieren. Das können am Anfang einzelne Aufgaben oder Teilbereiche sein.

Daneben halte ich regelmäßige Fördergespräche für sehr wichtig. Ich kenne Mitarbeitende, die viel Potenzial haben, aber nicht in Vollzeit arbeiten können. Da wäre es doch unklug, wenn ich als Führungskraft dieses Potenzial nicht mehr abrufe, weil die Kollegin oder der Kollege „nur“ in Teilzeit verfügbar ist. Ich habe es als Führungskraft selbst erlebt, dass ich manchmal direkt fragen musste: Mensch, wäre das nicht was für dich? Zudem sind diese Gespräche keine Einbahnstraße, bei denen der oder die Vorgesetzte nur die eigene Einschätzung verkündet. Da sind alle gefordert, sich Gedanken zu machen, wie sie sich die Zukunft vorstellen.

Du bist Geschäftsführerin des ÜberseeHubs. Welche Erfahrungen in puncto Familienfreundlichkeit kannst du dort umsetzen?

Wir stehen derzeit durch Covid-19 vor großen Herausforderungen. In unserem rund zwölfköpfigen Team gibt es einige junge Entwickler:innen, die kleine Kinder haben. Viele gestalten ihre Arbeitszeit flexibel und arbeiten eher am Nachmittag und in den Abendstunden, da sie sich vormittags um ihr Kind kümmern. Wir haben diese Flexibilität zu Beginn der Pandemie sehr klar kommuniziert.

Gerade in der Tech-Branche gibt es immer noch wenige Frauen. Wenn wir früher ein neues Team zusammengestellt haben, waren es oft nur Männer. Auf mein Nachfragen wurde am Ende auch immer eine kompetente Frau gefunden. Generell empfinde ich gemischte Teams als angenehmer. Wobei Diversity keine reine Geschlechterfrage ist. Insgesamt ist hier noch Luft nach oben.

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