Führung

Eine gute Diversity-Strategie spricht alle an

Interview mit Manfred Wondrak, factor-D Diversity Consulting
  • Diversity
  • Training
  • Unconscious Bias

Manfred Wondrak Quelle: factor-D Diversity Consulting

Immer mehr Führungskräfte erkennen die Bedeutung von Diversity-Strategien für das eigene Unternehmen. Wichtig bei der Umsetzung sei, dass niemand zurückgelassen wird, so Manfred Wondrak. Er berät seit knapp 20 Jahren Unternehmen in Fragen rund um Diversity, Inklusion und Unconscious Bias.


Worin unterscheidet sich der Ansatz deiner Anti-Bias Trainings von klassischen Diversity-Konzepten?

Unseren Trainings liegt das Konzept der Unconcious Biases zugrunde. Das bedeutet, dass wir uns vor allem auf die unbewussten Vorurteile ausrichten. Der klassische Diversity-Ansatz ist oft anklagend und fordert Gruppen zu unterstützen, die in der Vergangenheit Diskriminierungen erlitten haben. Dieses traditionelle Vorgehen hat bei einigen Vorständen und Führungskräften zu Widerständen geführt.

Der Unconscious-Bias-Ansatz nähert sich demselben Thema aus einer neurowissenschaftlichen Perspektive. Selbstverständlich gibt es in vielen Unternehmen auch klassische Formen der Diskriminierung – wir schauen aber eher auf die unbewussten Barrieren: Wir alle haben gewisse Denkprozesse, wir denken in Abkürzungen, haben unsere Vorannahmen, Vorlieben und so weiter.

Wie kann ich mir das konkret vorstellen?

Wir schreiben beispielsweise einem großen Mann mit einer tiefen Stimme etwas anderes zu als einem kleinen Mann mit hoher Stimme. Wenn ich mich auf solche Beispiele fokussiere, kann ich auch Männer erreichen, die bei klassischen Diversity-Schulungen erst einmal geblockt hätten. Das läuft in der Regel nicht sichtbar ab und ist auch nicht per se schlecht. Es hilft uns ja, sich in der Komplexität der Welt zu orientieren und schnelle Entscheidungen zu treffen. Das Problem liegt eher darin, dass diese Denkmuster manchmal zu blinden Flecken führen können.

Da wir hier ohne Schuldzuweisungen und Vorwürfe vorgehen, erreichen wir auch eine breitere Zielgruppe und sind niedrigschwelliger.

Der Fokus von Diversity-Trainings muss nicht immer ausschließlich auf Personalfragen liegen.

Manfred Wondrak

Bisher führen eher größere Unternehmen Anti-Bias-Trainings durch. Was können kleinere und mittelständische Unternehmen von diesem Ansatz lernen?

Größere Unternehmen haben in der Regel eine ausformulierte Diversity- und Inklusionsstrategie, in die dieser Ansatz integriert werden kann. Die Strukturen sind ab einer gewissen Größe so komplex, dass die Trainings schlicht notwendig werden. Aber auch jedes kleine Unternehmen sollte sich fragen: Wozu brauchen wir Diversity? Wobei kann uns der Anti-Bias-Ansatz unterstützen?

In welchen Unternehmensbereichen setzt das Training an?

Wichtige Ansatzpunkte sind zum Beispiel das Recruiting und die Zufriedenheit der Belegschaft eines Unternehmens. Darüber hinaus kann so ein Training aber auch dabei helfen, die Bedürfnisse von Stakeholdern besser zu erfassen oder Produkte gezielter auf dem Markt zu platzieren. Der Fokus muss also nicht immer ausschließlich auf Personalfragen liegen.

Beim Unconscious-Bias-Ansatz geht es auch nicht immer rein um die klassische Dimension von Diversity, also Geschlecht, Alter, sexuelle Identität, Herkunft und so weiter. Wir erweitern unter dem Schlagwort der „kognitiven Diversität“ unsere Perspektive auf unterschiedliche Problemlösungsstrategien und Sichtweisen aufgrund Bildungs-, Lebens und Berufshintergründen. Damit kann auch in kleineren Unternehmen ohne perfekt geschliffene Diversity Strategie eine Veränderung gelingen.

Was sind die häufigsten Vorbehalte, denen du mit deinem Ansatz begegnest? Wie kann Widerständen gegen die Trainings überhaupt begegnet werden?

Die üblichen Hürden sind, dass sich Personen nicht angesprochen fühlen und dann beginnen, alles zu hinterfragen angefangen dabei, warum sie nicht gemeint sind.

Viele Unternehmen setzen ihren Fokus auf die Frauenförderung und beschränken sich damit auf eine Diversity-Dimension. Dann passiert oft genau das: Andere Gruppen fragen sich, warum sie nicht berücksichtigt werden. Das klassische Beispiel ist die Karriereförderung von Frauen. Wenn ich aber ein Projekt zur Gleichberechtigung der Geschlechter einrichte, erreiche ich mehr Mitarbeiter:innen, als wenn ich nur Frauenförderung betreibe. Denn zur Gleichberechtigung gehört eben auch, Väter in Elternzeit zu unterstützen und Männern andere Lebensläufe zu öffnen.

Ein weiteres Problem ist, dass die Teilnehmer:innen oft zu den Schulungen verpflichtet waren. Das stärkt innere Widerstände und schmälert die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Daher ist es wichtig, im Vorfeld das Interesse der Teilnehmenden zu wecken. Zum Beispiel, indem die Teilnahme zwar gefördert, aber nicht erzwungen wird.

Ein zentraler Punkt jeder Diversity-Strategie ist, dass das Vorgehen partizipativ ist.

Manfred Wondrak

Eine Person merkt, dass es an ihrem Arbeitsplatz Probleme mit Vorurteilen und Diskriminierung gibt. Aber sie weiß nicht, wie sie dies ändern kann? Was rätst du ihr?

Wenn die Person Veränderungen vorantreiben möchte, ist das Wichtigste, dass sie das Commitment der Geschäftsführung hat. Ist die Führungsspitze als wichtigster Verbündeter mit an Bord, lässt sich der Kreis der Multiplikator:innen vergrößern. Etwa, indem man die übrigen Führungskräfte einzelner Abteilungen dazu holt. Das kann über Schulungen gelingen oder damit, gewisse Schlüsselpositionen in der Organisation vom Betriebsrat bis hin zur Kommunikationsabteilung einzubinden.

Ein zentraler Punkt ist, dass das Vorgehen partizipativ ist. Für einen Wandel im Unternehmen müssen so viele wie möglich ins Boot geholt werden. Wenn die Bereitschaft am Veränderungsprozess teilzunehmen, vorhanden ist, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit viel höher, als wenn alles nur von oben instruiert wird.

Wie können die Mitarbeiter:innen an Bord geholt werden?

Eine Aussage sollte aus meiner Sicht im Zentrum stehen: Bei Diversity geht es nicht nur um das Geschlecht, alte Leute, Menschen mit Behinderung und so weiter, sondern um uns alle. Wir alle können von einem diversen Unternehmen profitieren.

Um zu diesem Punkt zu kommen, ist ein Schulungskonzept wichtig, das einerseits Führungskräften, aber auch Mitarbeitenden verschiedene Workshops anbietet. Genau diesen Impuls zu geben, ist eine Aufgabe von externen Trainer:innen und Berater:innen.

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