Bei Stellenausschreibungen ist die Unsicherheit groß: Sollte man bei Berufsbezeichnungen das Gender-Sternchen nutzen? Oder eine neutrale Form wählen? Was ist denn richtig?
Der erste wichtige Step ist, dass Unternehmen eine Haltung einnehmen. Dass sie ausdrücken, dass gendern für sie wichtig ist. Es gibt dann drei Möglichkeiten dafür: als erste die Paarform wie bei „Servicemitarbeiter und Servicemitarbeiterinnen“. Als zweite das Gender-Sternchen beziehungsweise den Doppelpunkt. Und als dritte die Neutralisierung, zum Beispiel Servicemitarbeitende. Letzteres ist für viele Menschen schwierig, da es Sprachgefühl braucht. Viele Unternehmen setzen einfach ‚m/w/d‘ hinter die Position, weil es am einfachsten ist. Das ist nicht ideal, da die männliche Variante beibehalten wird.
Also nicht so: „Softwarearchitekt mit Schwerpunkt Java (m/w/d)“?
Genau. Das kann man dann auch gleich bleiben lassen.
Warum denn?
Studien zeigen, dass sich Frauen weniger angesprochen fühlen. Abgesehen davon, dass es ethisch gesehen einfach ungerecht ist, schaffen sich Unternehmen große Nachteile, wenn sie nicht gendern. Erstens möchte ich ja als Unternehmen meinen Bewerber:innen-Pool optimal ausschöpfen. Wenn ich die Ansprache nicht richtig wähle, entstehen unnötige Kosten für zusätzliches Recruiting. Zweitens entsteht ein Reputationsrisiko. Studien haben nachgewiesen, dass Interessent:innen genderunsensible Unternehmen als weniger Innovativ einschätzen. Das gilt besonders für die jüngere Zielgruppe. Corona zeigt den Sprachwandel gerade wie unter einem Brennglas.
Was bedeutet das?
Alle 50 Jahre setzt ein Sprachwandel ein, der letzte in den 1968er Jahren. In der Gesellschaft latent vorhandene Faktoren, wie zum Beispiel der Wunsch nach Gleichberechtigung, werden befördert, wenn externe Faktoren dazukommen – wie eine Pandemie mit Lockdown.
Die Unternehmen haben in den letzten Monaten den Fokus mehr auf interne Themen gelegt. Gendergerechte Sprache war bislang immer im Recruiting oder in der Stabstelle Gleichstellung angesiedelt. Jetzt kommt sie auf die strategische und Managementebene. Und interessanterweise auch in den Vertrieb.
Gerade durch Social Media können Bewerber:innen viel kritischer agieren. Spielt der Wandel in der Mediennutzung eine Rolle?
Früher ist man bei der Stellensuche ganz klassisch auf die Unternehmenswebsite gegangen. Für das Recruiting ist Social Media heute viel wichtiger geworden. Als Unternehmen muss ich die Kanäle so bespielen, wie die Nutzer:innen sie verwenden. Dafür brauche ich eine hippere Sprache oder Emojis.
Dafür muss ich aber meine Zielgruppe kennen. Ich muss wissen, auf welchen Kanälen ich sie ansprechen kann. Frauen sind zum Beispiel viel eher auf Instagram unterwegs. Eine Plattform wie www.superheldin.io ist für Mütter interessant, weil sie familienfreundliche Jobs anbietet. Ich muss die Kanäle beobachten und meine Sprache anpassen.
Was passiert dadurch?
Wenn ich meinen Sprachstil anpasse, dann setzt bei den Zielgruppen der „Social Mimikry-Effekt“ ein: Ich kreiere Sympathie, die andere Person wird auf mich aufmerksam und fühlt sich verstanden. Gerade Jüngere haben viel stärker den Wunsch nach einem Wertefit: Sie möchten dort arbeiten, wo die Werte des Unternehmens zu den eigenen passen. Geld gegen Arbeit, das zieht nicht mehr.
Worauf muss ich sprachlich achten, wenn ich Frauen ansprechen möchte?
Dass ich mich an gewisse Wortprofile halte, die bei Frauen besser performen. Frauen schätzen kommunale Wörter mehr als agentische. Diese Begriffe befördern eher soziale Aspekte. Man könnte etwas ausdrücken wie: „Wir arbeiten als Team zusammen für einen größeren Zweck.“ Führungsrollen nutzen eher agentische Worte, die das individuelle Vorankommen und die Durchsetzungsfähigkeit betonen. Möchte man Frauen für Führungsrollen gewinnen, sollte man statt „Verhandlungsgeschick“ eher „Kommunikationstalent“ als Kriterium betonen.
Könnte ich damit Männer verprellen?
Interessanterweise haben wir in unseren Studien nachgewiesen, dass bei männlichen Personen die Wortprofile nicht so signifikant sind. Was ihnen aber wichtig ist, sind Gehaltsangaben!
Gehaltsspannen sind aber auch für Frauen wichtig.
Ja, die sind für beide interessant – aber aus unterschiedlichen Gründen. Für Männer steht der persönliche Wert dahinter, für Frauen eher die Transparenz.
Für Frauen ist es außerdem besonders wichtig, einen möglichst genauen Eindruck von den Arbeitsabläufen und vom Arbeitsalltag zu bekommen. Es geht um die Employee Value Proposition: Welche Angebote und Wertversprechen bringt das Unternehmen als Gegenleistung für die Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter:in ein?
Gerade IT-Frauen schätzen es sehr, wenn sie Einsteigerkurse geboten bekommen. Wenn sie zum Beispiel über Programmierkurse oder Schnuppertage das Unternehmen kennenlernen können.